BGH v. 16.7.2024 - VI ZR 243/23 u.a.
Die Klägerin ist Leasingnehmerin eines Fahrzeugs. Sie nimmt die Beklagte als Haftpflichtversicherer des Unfallgegners auf restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall in Anspruch, bei dem dieses Fahrzeug nicht unerheblich beschädigt wurde. Die volle Haftung der Beklagten dem Grunde nach steht außer Streit. Leasinggeberin und Eigentümerin des beschädigten Fahrzeugs ist die V.-GmbH. Die Klägerin ist zur Geltendmachung der Ansprüche der Leasinggeberin im eigenen Namen ermächtigt. Sie beauftragte einen Sachverständigen mit der Schadensfeststellung. Dieser ermittelte einen merkantilen Minderwert i.H.v. 5.000 €. Die Beklagte erstattete insoweit lediglich einen Betrag i.H.v. ca. 4.200 € mit der Begründung, dass ein Abzug in Höhe des Umsatzsteueranteils vorzunehmen sei.
Mit der Klage hat die Klägerin die Differenz i.H.v. ca. 800 € nebst Zinsen geltend gemacht. Das AG gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten wies das LG zurück. Der BGH hat auf die Revision der Beklagten das Urteil aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist von dem merkantilen Minderwert für den Fall, dass er ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt wurde, ein dem "Umsatzsteueranteil" entsprechender Betrag abzuziehen.
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH handelt es sich beim merkantilen Minderwert um eine Minderung des Verkaufswerts, die trotz völliger und ordnungsgemäßer Instandsetzung eines bei einem Unfall erheblich beschädigten Kraftfahrzeuges allein deshalb verbleibt, weil bei einem großen Teil des Publikums eine den Preis beeinflussende Abneigung gegen den Erwerb unfallbeschädigter Kraftfahrzeuge besteht. Diese Wertdifferenz stellt einen unmittelbaren Sachschaden dar.
Der merkantile Minderwert eines erheblich unfallbeschädigten Fahrzeugs ist unabhängig davon zu ersetzen, welche Dispositionen der Geschädigte über das Fahrzeug trifft. Insbesondere kommt es für die Begründung des Anspruchs auf Ersatz des merkantilen Minderwerts nicht darauf an, ob der Geschädigte das Fahrzeug verkauft und sich der Minderwert tatsächlich in einem geringeren Verkaufspreis manifestiert.
Der Schädiger hat den Minderwert des Fahrzeugs zu ersetzen, wie er sich im Zeitpunkt der Inbetriebnahme nach der Reparatur ergibt.
Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs - hier der Höhe des merkantilen Minderwerts - ist in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat. Solche Fehler liegen im Streitfall vor, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts, bei dem im Gutachten als merkantile Wertminderung angeführten Betrag handle es sich um einen "Brutto-Betrag", nicht frei von Rechtsfehlern ist.
Der Ersatz des merkantilen Minderwerts unterliegt nicht der Umsatzsteuer nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, weil es sich bei dieser nach dem Gesetz (§ 251 Abs. 1 BGB) zu zahlenden Entschädigung (ebenso wie bei nach § 249 BGB zu zahlendem Schadensersatz) nicht um eine Leistung gegen Entgelt handelt, es also am erforderlichen Austausch gegenseitiger Leistungen fehlt. Es ist deshalb zumindest missverständlich, beim merkantilen Minderwert von einem Brutto- oder Nettominderwert zu sprechen.
Grundlage für die Schätzung des merkantilen Minderwerts ist ein hypothetischer Verkauf des Fahrzeugs. Dabei ist von Netto-, nicht von Bruttoverkaufspreisen auszugehen.
Wurde entgegen dem soeben genannten Grundsatz der merkantile Minderwert ausgehend vom Bruttoverkaufspreis geschätzt, ist er in der Weise nach unten zu korrigieren, dass von ihm ein dem "Umsatzsteueranteil" entsprechender Betrag abgezogen wird. Anderenfalls käme es zu einer Bereicherung des Geschädigten.